Istanbul war eine Reise wert

Anfang Mai trafen wir im Rahmen des FIER-EU-Projekts in Istanbul unsere europäischen Partner. In einer Stadt an der Grenze von Europa und Asien. In einem politisch brisanten Land, das mit Syrien eine gemeinsame Grenze von 900 Kilometern teilt und das jenes Land auf der Welt ist, in dem mit 3,7 Mio Menschen am meisten Flüchtlinge leben. Ein Land, in dem wir mit YUVA einen Partner haben, der als NGO großartige Arbeit leistet.

Beim Hinflug lasse ich die Jahre mit fairMATCHING Revue passieren. Vom Herbst 2015, als wir uns formten – als kleine Zelle mitten in der Zivilgesellschaft, die auf den Willkommenshype mit konkreter Integrationsarbeit antwortet. 2016, als wir den Sprung ins kalte Wasser wagten – mit dem Ansatz, aus der konkreten Praxis heraus neue Formate und Lösungsansätze für die Begleitung von geflüchteten Menschen in Richtung Arbeitsmarkt zu entwickeln. 2017, das Jahr der Professionalisierung. 2018 – das Jahr der ersten großen Kooperationen (mit Unternehmen und Institutionen wie AMS, Land Salzburg und HIL Foundation). 2019 – das Jahr der Bestätigung und mit FIER auch das Jahr des Aufbruchs in Richtung neue Horizonte. Das Flugzeug landet am monströsen Flughafen in Istanbul und während wir 40 Minuten im dichten Netz der Landebahnen dahinstottern, damit uns die Zeit wieder einholen kann, begleitet mich die Frage, wie der nächste Schritt in unserer Arbeit mit geflüchteten Menschen wohl aussehen wird. Denn dass es einen nächsten Schritt geben muss, ist mir in diesem regenverhangenen Moment sonnenklar – weil wir uns verändern müssen, um in diesen turbulenten Zeiten auch nur halbwegs die gleichen zu bleiben. Endlich ist die Maschine zum Stillstand gekommen. Merhaba Istanbul.

istanbul.jpeg

Was FIER für uns bedeutet? Dass wir jetzt europäische Luft atmen dürfen. Das ist gerade in Zeiten wie diesen so wichtig wie nie zuvor. Weil es heute darum geht, sich auszutauschen, zu lernen und grenzüberschreitend gemeinsam zu wachsen – und dabei immer wieder neue Wege zu versuchen. Das heißt, nicht Altbekanntes einfach wiederholen, weil es eine Förderung gibt, sondern diese Förderung zum Anlass nehmen, neue Formate und neue Ansätze auszuprobieren. Und dabei nicht auszublenden, dass es neben der FAST-TRACK-INTEGRATION (FIER) auch eine SLOW-TRACK-INTEGRATION (SIER) geben muss, wenn unser Tun nachhaltig sein soll. Diese Stimmenm tauchen immer wieder auf.

Istanbul war jedenfalls eine Reise wert. Die Vibrations unter den FIER-Partnern waren großartig und der Erfahrungsaustausch für alle enorm wichtig. Besonders in Erinnerung bleiben für mich der Studienbesuch in der „Women to Women Refugee Kitchen“ in einem Stadtteil von Istanbul, der von unserem türkischen Partner YUVA organisiert wurde, und das Support Group Network in Schweden, das wir durch seinen Gründer Adnan Abdul Ghani, der selbst aus Syrien geflohen ist, kennenlernen durften. Zwei Grass-Roots-Projekte, die in einer geheimnisvollen Art und Weise miteinander in Dialog stehen, geht es doch beiden im emphatischen Sinn um EMPOWERMENT und die Herausbildung von sich selbst organisierenden Strukturen.

Das könnte auch für uns ein Hinweis sein, der es wert ist, weiterverfolgt zu werden. Weil Arbeitsvermittlung nur dann nachhaltig ist, wenn sie Integration und Selbstermächtigung vorantreibt. Vor diesem Hintergrund könnte sich fairMATCHING 2.0 um die Re-Fokussierung und Zuspitzung unseres ganzheitlichen Zugangs drehen. Dass wir am Ende wieder dort stehen, wo wir 2016 angefangen haben. Als Pseudosozialarbeiter, die ohne Scheuklappen die Herausforderungen ernst nehmen, die auf uns warten.

Einen Arbeitstitel haben wir schon. Mehr dazu nach dem Sommer.