Ein denkwürdiger Abend

50 hochkarätige und engagierte Personen aus Wirtschaft, Politik und Kultur wollten wir an diesem Abend an einem langen Tisch versammeln. Das war unser Ziel. Am Ende sind es zwei Tische geworden in einer feinfühlig inszenierten Black-Box, die eine wunderbar illustre Tischgesellschaft gleichzeitig illuminierte und über sich hinauswachsen ließ. Und ein Abend, an dem die Gänsehaut unser ständiger Begleiter war.

Oft sind es die Projekte, die einem zustoßen, die man besonders ins Herz schließt. Und oft sind es die Menschen, mit denen man nicht gerechnet hat, die für unvergessliche Momente sorgen. Mit dem, was da letztendlich am 11.12. in der ARGE Kultur über die Bühne ging, durfte niemand rechnen. Erträumt haben wir es uns schon.

Der Filmemacher Chris Marker erzählt in ‘Sans Soleil’ (1983) von einer chinesischen Prinzessin, die es liebte, Listen von Dingen zu erstellen, die ihr wichtig waren. Bis sie einmal die Liste der Dinge erfand, die ihr Herz schneller schlagen lassen. Besser könnte ein Motto für diesen Abend nicht gewählt werden, der in geheimnisvoller Art und Weise unsere Vision widerspiegelte: Dass nämlich in allem, was wir tun, der Geist von fairMATCHING erlebbar wird.

Am Ende konnte sich kaum wer in diesem Raum entscheiden, wo dieser Abend seinen Höhepunkt hatte – in der von Enrique Pasquali behutsam fotografierten Ausstellung der Menschen, die wir begleiten durften, in den lyrisch-verspielten Balladen von David Lageder und Camillo-Mainque Jenny des ‘Duo Grande’, in der Lesung unseres syrischen Freundes und Bestsellerautors Omar Khir Alanam, der das gesamte Emotionsregister bediente oder in den flankierenden Gesprächen auf Augenhöhe, die ihr eigenes Gravitationszentrum schufen und diesen Abend für uns und unsere Gäste unvergesslich machten.

Gespräche, die zeigten, dass jenseits von Populismus und Angstmache immer noch Zellbildungen möglich sind, in denen Menschen neugierig und offen auf die Herausforderungen unserer Zeit zugehen. Es lag gleichsam in der Luft, wie inspirierend und beflügelnd Vielfalt sein kann – Individualität, die sich gegen die Etikettierungen stemmt und uns aus der Umklammerung einer singulären und damit immer verkürzenden Geschichte befreit, die andere über uns erzählen. Als erwünschte Nebenwirkung wurde vielen von uns an diesem Abend wieder bewusst, wie nahe Flucht und Heimat beieinander liegen. Heimat ein Quasi-Ort, “ein schmaler Landstrich, der durch die Kindheit und durch die Herzen führt,” wie Christoph Ransmayr es formulierte: “Jenseits davon ist jeder fremd, ist jeder Ausländer oder Flüchtling und auf Hilfe und Beistand von Eingeborenen angewiesen.“

Unser Dank gilt allen Botschaftern, Mitstreitern, Freunden, Komplizen, Partnern und Sponsoren von fairMATCHING. Wir sind auf Ihre Unterstützung angewiesen – mehr denn je! Dass durch dieses Charity Dinner mehr als 10.000 EURO direkt in unsere Arbeit fließen - dh nach Abzug unserer Kosten –, ist eine Randnotiz, die in die Mitte drängt.

fairMATCHING in der Wochenschau

Am 1.11. war es soweit. Als Gründer und Obamnn von fairMATCHING war ich Gast in der neuen Wochenschau von Romy Sigl und Romana Hasenöhrl, einem sehr inspirierenden LIVE-Format, das in Zukunft jeden Freitag um 12 Uhr Mittags als Facebook-Livestream aus dem Coworking Space Salzburg gesendet werden soll.

Es war spannend und sehr unterhaltsam. Ein großes Danke an die wunderbare Romy für ihre Dialogführung und den Platz, den du unserer Arbeit gegeben hast. Ich weiß, ich habe die Zeit brutal überschritten, aber bei diesem Thema und bei dem Platz, den rechte Propaganda jeden Tag bekommt, sollte das erlaubt sein. Weil es dabei nicht nur um die anderen geht, sondern letztendlich auch um uns und ob wir uns morgen noch vor den Spiegel wagen.

4 Anmerkungen dazu: 1) Das Gespräch mit mir startet mit Minute 4:36 und endet bei 23:50.
2) Das “gangart-Lesebuch für die stille Zeit” erscheint am 22. November und wird direkt über ALMBLITZ aber auch auf amazon erhältlich sein. 3) Anfragen bezüglich Partner- oder Komplizenschaften, wie ich es im Gespräch nenne, bitte direkt an: info@fairmatching.com.
4) Die Qualität des Videos ergibt sich durch das Live-Stream-Format. Wen sie stört, möge bitte diesem LINK folgen und das Gespräch direkt auf Facebook in deutlich besserer Qualität verfolgen.

Und jetzt viel Spaß bei der Wochenschau!

Heimat ist nur ein schmaler Landstrich, der durch die Kindheit und die Herzen führt. Jenseits davon ist jeder fremd, ist jeder Ausländer oder Flüchtling und auf Hilfe und Beistand von Eingeborenen angewiesen.

Christoph Ransmayr

Job Speed Dating 2019

Ein paar Wochen sind nun schon seit unserem 2. Job Speed Dating am Stadtwerke Areal vergangen. Der Grund warum wir erst jetzt ausführlich darüber berichten ist ein erfreulicher: die positiven Effekte, die das Job Speed Dating ausgelöst hat, haben uns ziemlich eingespannt!

Schon im letzten Jahr waren wir uns einig, dass das Speed Dating Format im Volksgarten sehr erfolgreich war – nicht nur, weil immerhin 4 Menschen direkt vermittelt werden konnten, sondern auch, weil neue wertvolle Unternehmenskontakte aufgebaut wurden und durch das mit der Veranstaltung verbundene mediale Rauschen die „Welt“ ein Stück mehr sensibilisiert und damit die Akzeptanz für unsere Arbeit erhöht werden konnte.

Und dieses Jahr? Es war überragend! Die Reichweite der positiven Effekte hat unsere Erwartungen übertroffen: Dank medialer Unterstützung haben sich mehr als 10 Unternehmen – großteils aus eigenem Antrieb – im Vorfeld bei uns gemeldet, um teilzunehmen (im letzten Jahr wurden alle Unternehmen von uns kontaktiert!) Firmen wie Spar, Raschhofer, Salzburg AG, Ziegler Schallschutz, boulderbar Salzburg, Schlosserei Guggenthal, Manpower, Götz Gebäudemanagement, Findologic und die dts-Tankstellen bereicherten das Job-Speed-Dating, das im ORF Beitrag als Job-Speed-Meeting angekündigt wurde – ein Begriff, über den wir nachdenken werden, weil er das interaktive Moment noch mehr betont.

Und die Bewerberseite? Mit mehr als 30 TeilnehmerInnen auf Bewerberseite waren auch hier die Voraussetzungen ideal. Schon während den Gesprächen hat man gespürt, wie bei manchen „Dating-Partnern“ der Funke sofort übergesprungen ist. Das führte zu extrem guten Vibrations und dazu, dass jede/r Teilnehmer/in die Veranstaltung mit einem Lächeln verlassen hat.

Und weil es unsere Mission ist, die Bewerber vor allem auch „auf den letzten Metern“ vor einer Anstellung intensiv zu begleiten und zu unterstützen, brachte der Erfolg dieses Nachmittags mit sich, dass wir seither beinahe übergangslos beschäftigt waren. :)

Das Beste daran: Dieser Erfolg gilt nicht nur der Veranstaltung, sondern auch der Arbeit, die wir im letzten Jahr geleistet haben. Das wurde von allen Teilnehmenden bestätigt. Und das gibt uns in diesen wenig rosigen Zeiten, was die Rahmenbedingungen für unser Tun angeht, den Optimismus, den wir brauchen. Danke! An Alle! 

Frauen Mut machen!

Im Juli gingen unsere ersten Frauencafes in Salzburg, Hallein und BIschofshofen über die Bühne. Das Ziel: GEFLüchteten Frauen Wege zu mehr Selbstbestimmung zeigen und fundierte Informationen zu Arbeit, Weiterbildung und Kinderbetreuung bieten. Im Zentrum standen dabei DIE Mutmacherinnen aus unserem Netzwerk, die ihre Geschichten erzählten und viele brennenende Fragen beantworten konnten.

Es freut uns, dass unserer Einladung auch wichtige Partner gefolgt sind und den Austausch bereicherten: neben dem AMS als wichtiger Projekt- und Förderpartner, das IKU Büro für interkulturelles Zusammenleben Hallein, das Forum Familie Tennengau, Frau & Arbeit, der Verein Viele und das Caritas-Projekt Divinco.

„Die Sprache ist der Schlüssel, zu Kontakten, Ausbildung und Arbeit!“, betonte Ruzica Milicevic, die selbst in den 90er Jahren aus Bosnien geflüchtet und heute eine Vorzeigestaatsbürgerin Österreichs ist. Sie wurde im April dieses Jahres mit der Verdienstmedaille des Landes OÖ ausgezeichnet! Roshanak aus dem Iran erzählte von ihrer Flucht aus einem System, in dem sie zwar ein gutes Leben hatte, aber nichts selbst bestimmen durfte. Liljana aus Bosnien erinnerte sich an ihre Verzweiflung, als ihr Chef sie in dem Gasthaus, in dem sie arbeitete, in den Keller schickte, um "Erdäpfel" zu holen und sie dort im Dunkeln weder Erde fand noch Äpfel.

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Unsere Mutmacherinnen in Aktion

Ihre Erzählungen wurden von den anwesenden Frauen regelrecht aufgesaugt

Es gibt viele Kleinigkeiten, die wir Österreicherinnen und Österreicher bei der Kommunikation mit Menschen aus anderen Ländern beachten können. So würde es beispielsweise schon sehr helfen, wenn wir weniger schnell und nicht so extrem im Dialekt sprechen würden. Auch das Kopftuch als Chancentod in Vorstellungsgesprächen war bei allen drei Events ein großes Thema. Sunaari aus Somalia hat sich zu helfen gewusst. Sie schickte ihren Lebenslauf mit einem Foto ohne Kopftuch  und wurde daraufhin zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Als sie in diesem Gespräch mit ihrem zukünftigen Vorgesetzten betonte, dass ihr Glaube es ihr vorschreibt, die Haare zu bedecken, haben sie sich gemeinsam auf Lösungssuche gemacht. Der Kompromiss war eine Beanie. Es ist immer wieder bedenklich, von der Diskriminierung aufgrund eines Stückchens Stoff zu hören. Die brennende Frage dahinter: Wer unterdrückt die Frauen mehr, ein Glaubensgebot oder eine Gesellschaft, die die Frauen aufgrund eines Accessoires in eine Schublade steckt?

Alles in allem haben wir viele spannende und interessierte Frauen kennengelernt und es hat allen sichtlich gut getan, auf Gleichgesinnte zu treffen und sich über Probleme und mögliche Lösungen auszutauschen. Unsere Mutmacherinnen und die Vertreterinnen der Initiativen und Einrichtungen beantworteten Fragen der geflüchteten Frauen zum Thema Arbeit, Weiterbildung und Kinderbetreuung im großen und kleinen Kreis.

Vieles scheint in Österreich sehr kompliziert geregelt zu sein und wenn frau die Informationen auch noch in einer Sprache bekommt, die gerade erworben wird, scheint vieles noch schwieriger. Da ist es gut zu wissen, wo man hingehen kann! Uns war es jedenfalls ein großes Vergnügen, ein wenig Klarheit schaffen zu können. Herzlichen Dank an alle Beteiligten.

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Komplizenschaften

Wer auf unsere Webseite und dort auf Partner geht, der wird über folgende Erklärung stolpern: "Es gibt mehrere Möglichkeiten, aktiv zur werden. Unsere Partner sind Privatpersonen und Unternehmen, die unsere Arbeit unterstützen, indem Sie 1) Arbeit Suchende aufnehmen bzw. weiterbilden, 2) uns finanziell unter die Arme greifen oder 3) Lobbying in unsere Sache betreiben."

Diese drei Säulen unserer Partnerschaften sind in Zeiten wie heute, wenn eine geschichtsblinde und gewissenlose Politik es als ihre Aufgabe sieht, jeden Tag Angst, Neid und Ausgrenzung zu säen, anstatt Rahmenbedingungen für ein menschliches und zukunftsweisendes Miteinander zu schaffen, wichtiger denn je. In solchen Zeiten geben uns die Zeichen aus der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft die Gewissheit, dass wir nicht alleine und die vielen Hürden, die wir in unserer Arbeit jeden Tag erleben, keine uneinnehmbaren Windmühlen sind. Es sind Partner, die zu Komplizen werden – in Zeiten wie diesen.

Wir spüren, dass aufgeschlossen Unternehmen in diesem Land sich nicht länger vor den Wagen einer kleingeistigen und niederträchtigen Politik spannen lassen. Und wir spüren auch, dass es bei der Frage "Ausbildung oder Abschiebung" ums Ganze geht, weil damit plötzlich einzelne Menschen mit ihren Schicksalen ins Blickfeld rücken, die sich nicht mehr einfach mit populistischer Propaganda verdrängen und abschieben lassen.

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Als ich letzte Woche Buchhaltung machte für fairMATCHING - ja, auch das muss sein - bin ich über eine Zeile gestolpert, die mich ganz durcheinander gebracht hat. Eine Spende von oben am Berg, von Patrick und Mikela, den Hüttenwirten auf der wunderbaren GjaidALM, die von Anfang an unsere Sache verfolgt und uns unterstützt haben. Die Tränen, die ich in den Augen hatte, sind gar nicht so leicht zu erklären. Es sind Tränen des Mitgefühls mit denen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, Tränen der Wut gegen die da oben, denen ihr Zynismus keine Atemnot bereitet, und Tränen der Dankbarkeit, dass es auch Menschen wie euch gibt, die einfach so, aus heiterem Himmel, ein Spende an uns abschicken und im Betreff folgenden Zettel dazuheften: "Danke für Euren Einsatz!"

Manchmal frage ich mich, warum wir das tun. Und manchmal frage ich mich nicht. Patrick und Mikela, Ihr habt für so einen Moment gesorgt: Danke!

Traumjob an der Tankstelle

Naser Eshaqhzahi hat einen Namen, den man sich merkt, aber nicht aussprechen kann, dachte ich zunächst, bis mich Naser aufklärte und mir sagte, dass man ohnehin "Esak" sagt.

Ich war irgendwie erleichtert und wir begannen unser Erstgespräch, das wir im Fachterminus auch "Profiling" nennen, was natürlich viel professioneller klingt, aber darüber hinwegtäuscht, dass so ein Erstgespräch im besten Fall ein Gespräch auf Augenhöhe ist, durch das man/frau sich ein Bild vom Gegenüber machen kann. Wir vom Menschen, der zu uns kommt, und der Mensch von uns, die wir ihn begleiten. Eine Bildgebung also, die in beide Richtungen passiert und passieren muss, aber das versteht sich ja von selbst, wenn wir von Augenhöhe sprechen. Wir wollen wissen, wer da vor uns sitzt und wir wollen auch transparent machen, dass unsere Begleitung nur dann stattfindet, wenn die Aktivität gut verteilt ist. Weil mit verschränkten Händen noch keiner eine Arbeit fangen geschweige denn halten konnte.

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Ich kenne Naser nun seit ungefähr 4 Monaten und muss sagen, dass sich mein Bild von ihm in dieser Zeit sehr verändert hat. Auch, weil Naser sich verändert hat. Er, der mit seinen Eltern aus Afghanistan fliehen musste und seine halbe Kindheit als U-Boot im Iran verbracht hat. Er, der keinen Pflichtschulabschluss vorzuweisen hat und lange Zeit gern die Schuld bei anderen gesucht hat, was in seinem Fall ja beinahe naheliegend war, wenn man auf sein Leben schaut, hat sich in diesen wenigen Monaten selbst am Schopf aus dem Sumpf der Larmoyanz gezogen, ist aufgestanden und aktiv geworden. Hat Bewerbungen geschrieben, an Türen angeklopft, zum Telefon gegriffen, genetzwerkt mit seinen bescheidenen Möglichkeiten. Aber er hat es getan, ist umgefallen, aufgestanden und weitergegangen, leicht hinkend, weil er das eine Bein etwas nachzieht. Nie wissend, wie er das Geld zusammenbringt für die Fahrt zum nächsten Kompetenzcheck, zum nächsten Bewerbungsgespräch. 

Und dann, in der Zielgeraden hatten wir plötzlich die Wahl. Auch, weil das AMS Hallein uns super unterstützte. Ein Lehre als Koch oder einen Job als Tankstellenwart bei Shell in Kuchl. Mein erster Impuls war natürlich die Lehre, die ihm neue Perspektiven eröffnet, aber Naser wollte endlich einmal arbeiten und sein eigenes Geld verdienen. Auf seinen eignen Füßen stehen. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Es gibt große Ziele. Und es gibt kleine Ziele. Und dazwischen gibt es den Traumjob Tankstellenwart. Endlich! Ein erster Schritt. Das größere Ziel werden wir im Auge behalten. Versprochen!

Der Fall Ali Wajid - Ein Leserbrief an die SN

Es war Anfang August 2017 als Ali auf uns zukam, im Volksgarten bei unserem Speed-Dating-Event für geflüchtete Menschen. Er hatte noch keinen positiven Asylbescheid, war aber so engagiert, so lernbegierig, dass wir nicht NEIN sagen konnten.

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Wir entschlossen uns, eine Ausnahme zu machen und mit ihm ein Stück des Weges zu gehen, wohl wissend, dass sein „Problem“ sein Herkunftsland Pakistan ist und die gleichzeitige und nachvollziehbare Priorisierung von syrischen Flüchtlingen seit Ende 2015. In Andreas Berlot vom ARGE Beisl fanden wir bald einen offenen Partner und eine Lehrstelle, für die es in Österreich kaum Bewerber gab. Alles schien perfekt zu laufen – bis vor einer Woche der Abschiebungsbescheid eintraf. Ali ist verzweifelt. Wieder bricht eine Welt auseinander. Man kann sich schwer ausmalen, was eine Abschiebung für ihn bedeutet. Wieder Flucht? Gefängnis – in einem Land, in dem die Menschenrechtslage nach wie vor prekär ist? In dem paschtunische Stammesfürsten und die Taliban große Teile des Landes kontrollieren, Terroranschläge an der Tagesordnung  sind und es so gut wie keine freien Medien gibt?

Aber wen interessiert das? Hierzulande geht es vordergründig darum, Zeichen zu setzen und abzuschieben, ohne Wenn und Aber. Prozesse zu exekutieren, damit Österreich nicht mehr als ein für geflüchtete Menschen anziehendes Land erscheint, so das Regierungsprogramm im Originalton. Wir müssen also hässlich werden, damit uns niemand begehrt? Hässlich in Worten, Taten und Bildern, wie es unser machttrunkener Kanzler bereits vor Jahren als Devise ausgab. Was übersehen wird, ist, dass Konsequenz nicht der einzige Parameter unseres Handelns sein kann. Sie kann, zugegeben, in bestimmten Situationen wichtig sein, aber nicht immer, weil menschliches Handeln sich eben dadurch auszeichnet, dass man vom Berg des Prinzipiellen immer wieder hinuntersteigt in die Ebene des Konkreten, wo individuelles Handeln notwendig wird.
 
Damit ich nicht missverstanden werde. Negative Asylbescheide gehören vollzogen. Sonst sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Aber im Vollzug darf das Augenmaß niemals verloren gehen. Wir sollten mittlerweile gelernt haben, dass der Zweck niemals die Mittel heiligt. Und dass es der Geist ist, aus dem heraus die Gesetze vollzogen werden, der darüber entscheidet, ob etwas Recht ist oder nicht. Recht oder einfach nur populistisch rechts und auf Mehrheiten schielend.

Ali Wahid ist ein besonderer Fall. Eine Ausnahmeerscheinung. Und als solche muss er auch behandelt werden. Wenn Sie ins ARGE Beisl gehen und dort einen Kaffee trinken, werden sie es sehen. Mit eigenen Augen. Dass das alles keinen Sinn macht. Einen Menschen, der mit Riesenschritten dabei ist, einer von uns zu werden, rauszureißen aus seiner Lehre und seinem Leben, das er sich mühsam aus Trümmern zusammengesetzt hat, und zurückzuwerfen in eine Welt, vor der er geflohen ist, um nach einer zweiten Chance zu suchen.
 
Ihm diese zweite Chance zu geben, ist eine Menschenpflicht. Und etwas, an dem sich dieses Land und die Menschen darin aufrichten könnten, wenn sie es wollten. Damit nicht länger Angst und Missgunst und Neid unser Handeln bestimmen, sondern wieder unseres inneres Lot, das uns unmissverständlich sagt, was richtig ist und falsch. Wenn wir bereit sind, in uns zu gehen und Ausnahmen zuzulassen. Sie machen uns menschlich.
 
Wolfgang Tonninger
Obmann von fairMATCHING

Heimat 2.0 – geht das und was braucht es dazu?

Am 25. April gingen wir in der Academy Bar der Frage nach, wie viele Heimaten ein Mensch haben kann und was es weichen Umgebungsfaktoren braucht, damit der Integrationsmotor, als den wir Arbeit begreifen, anspringen kann.

Neben dem syrischen Poetry Slammer Omar Khir Alanam waren der bulgarische Musiker Svilen Angelov, fairMATCHING Förderin und Landesrätin Martina Berthold, Fuad al Refai aus Damaskus, der Entrepreneur Robert Leichs, der mit einer syrischen Frau verheiratet ist, Bettina Wiesinger, fairMATCHING Komplizin und Chefin des Hotel Auersperg und Katrin Gerschpacher vom Verein fairMATCHING am Podium. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Wolfgang Tonninger.

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„Heimat kann so viel sein, aber bitte nicht aus dem Mund eines Politikers!“, meint Omar Khir Alanam zu Beginn der Veranstaltung. Er wurde mit eindringlichem Poetry Slam in Österreich bekannt und gab als Einstieg seinen Text „Risiko“ zum Besten. Er erzählt von seinem Ankommen in Österreich und stellt fest, als er die Sprache lernte war er angekommen.

„Sprache ist der Schlüssel zu den Herzen!“, Omar Khir Alanam

Martina Berthold meint: „Wir dürfen den Begriff Heimat nicht den Rechten überlassen. Jeder Mensch hat den Begriff Heimat für sich anders definiert, es soll ein offener Begriff sein und nie ausschließend verwendet werden!“

Fuad Al Refai, der seit 2,5 Jahren in Österreich ist, fühlt sich heimisch, wenn er ein normales Leben führen kann. Für ihn sind Arbeiten, Wohnen und Freunde Haben zentral wichtig.

 

Omar Khir Alanam liest aus seinem Buch "Danke".

Omar Khir Alanam liest aus seinem Buch "Danke".

Für Svilen Angelov ist die Musik die einzige Heimat, die er hat. Er meint, es gibt keine Heimat, denn immer wenn der Begriff Heimat von Politikern verwendet wird, kommt es zu nationalistischen Strömungen mit allen schrecklichen Auswirkungen. Svilen fühlt sich überall und nirgends zu Hause, ihm ist der Begriff Frieden viel wichtiger.

„Was sind wir, Mondmenschen oder Erdenmenschen?“, Svilen Angilov

Kati Gerschpacher sieht den wichtigsten Beitrag im Hoffnung Wecken und positiven Denken. Denn wer Hoffnung hat, denkt über weitere Schritte nach und bekommt die Kraft, diese auch zu gehen.

„Die Win-Win-Situation ist ganz wesentlich für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten. Ein Angestellter, der mit Freude seine Arbeit macht, ist auch gut für das Unternehmen!“, stellt Bettina Wiesinger vom Hotel Auersperg fest. Sie hat insgesamt Menschen aus 17 Nationen in ihrem Hotel beschäftigt.

Zuhörer Thomas Zezula meint abschließend: „Wenn alle Menschen so respektvoll miteinander umgehen würden, wie wir hier bei dieser Diskussion, hätte die Menschheit keine Probleme mehr!“

Dem können wir uns nur anschließen! Wir danken allen Gästen und allen Menschen am Podium für diese wunderbaren Stunden voller Respekt, Wertschätzung und Vertrauen. Und der Academy Bar, dass sie uns vorübergehend ein kleines Stück „Heimat“ geboten hat. Die Energie war jederzeit greifbar.

Vieles ist neu, eines bleibt gleich: großartige Erfolge für unsere Bewerber

Vor einiger Zeit haben wir verkündet, dass wir das Angebot unseres Vereins fairMATCHING, dank der Zusammenarbeit mit wichtigen Kooperationspartnern (Land Salzburg, AMS und Hil-Foundation) auf eine neue Ebene bringen konnten!
Was das für fairMATCHING genau bedeutet, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht - und eigentlich können wir es auch jetzt noch nicht so klar sagen ;)

fairMATCHING Team 2.0: Silke Stadlmann, Katrin Gerschpacher, Astrid Stockinger und Wolfgang Tonninger (v.l.n.r)

fairMATCHING Team 2.0: Silke Stadlmann, Katrin Gerschpacher, Astrid Stockinger und Wolfgang Tonninger (v.l.n.r)

Was wir aber ganz klar sagen können ist, dass die direkte, individuelle Beratung und Unterstützung unserer Bewerber immer noch oberste Priorität hat - und das wird sich auch nicht ändern.

Daher konnten wir auch als fairmatching 2.0 mit vielen Bewerbern bereits großartige Erfolge erzielen. Und die wollen wir niemandem vorenthalten:

  • Berivan ist seit Dezember bei Salzburg Souveniers im Verkauf tätig
  • Mohammad wurde nach seinem Praktikum bei Findologic fix als Programmierer angestellt
  • Louai hat im Jänner einer Lehre als Logistik Kaufmann bei Windhager begonnen
  • Peter wurde im Event-Team von Scalaria aufgenommen
  • Khaled hat seit März eine Anstellung bei Wüstenrot als Web Entwickler
  • Rohullah ist im Reinigungsteam der Boulderbar Salzburg
  • Ibrahim arbeitet jetzt in der Sozialberatung der Caritas und hat eine Ausbildung als Jugendtrainer bei akzente begonnen
  • Roshanak gehört nun zum Team von Samsonite

    was uns ganz besonders freut: einer unserer ersten Bewerber - Mouayad - hat die letzten 1,5 Jahre im Team der Boulderbar sein Deutsch enorm verbessert, viele Freunde gewonnen und Zukunftspläne geschmiedet. Und setzt nun sein Diplom zum Gesundheits-Fachassistenten in den SALK fort!

 

WOW! fairMATCHING 2.0 you ROCK!

Stadtspaziergang in Itzling

Am 9. Februar 2018 war fairMATCHING im Coworking Space Salzburg die letzte Station des monatlichen Itzlinger Stadtspaziergangs. Ein spannendes Format, das vom ABZ-Itzling organisiert wird, um den Stadtteil Itzling für Menschen von unterschiedlicher Herkunft, Alter, Sprache und Ausbildung erlebbar zu machen und damit ganz nebenbei für bemerkenswerte Begegnungen sorgt.

Nach einer Stärkung mit syrischen Süßigkeiten ging es los.

Nach einer Stärkung mit syrischen Süßigkeiten ging es los.

Ausgangspunkt war das Arbeiterinnen-Begegnungszentrum Itzling (ABZ) selbst, wo sich um 15 Uhr ca. 30 Menschen einfanden, um diesen Spaziergang miteinander zu unternehmen. Eine Reise, bei der diesmal die gemeinsamen Kochnachmittage (mit süßen Köstlichkeiten aus Syrien), der Gemeinschaftsgarten Itzling und unser fairMATCHING vorgestellt bzw. besucht wurden. Zu Fuß und mit viel Zeit für Dialog und Austausch.

Wie spannend die Konstellation war, zeigte sich auch bei der letzten Station, bei der zwei von fairMATCHING Begleitete Männer ihren Weg in und von Syrien und ihre ersten Schritte am österreichischen Arbeitsmarkt gemeinsam in Deutsch und Arabisch vorstellten. Gab es doch auch Besucher, die erst seit wenigen Tagen den gefrorenen Salzburger Boden unter ihren Füßen spürten.

Dabei konnte Mouayad Khaled, der in Aleppo das Studium der Anästhesie abgeschlossen und Pharmazie begonnen hat, von einem für ihn aber auch für uns großen Schritt berichten. Er, der in der boulderbar Salzburg durch seine freundliche, zuverlässige und hilfsbereite Art von allen geschätzt wird, hat die Aufnahmeprüfung zum Krankenpfleger geschafft und wird mit 1. März seine Ausbildung an den Salzburger Landeskliniken starten.

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Aber auch Khaled Hafez, der in Syrien eine Ausbildung zum Netzwerktechniker abgeschlossen hat und auch in diesem Bereich tätig war, konnte viel an Erfahrung weitergeben. Er sprach über sein erfolgreich absolviertes Praktikum bei der Salzburg AG, das nach 3 Monaten sogar verlängert wurde, die Hürden im Deutschen, die er übersprungen hat und seine berufliche Neuorientierung im Bereich Web-Programmierung. Die Tage sind auch bei ihm gezählt, bis er eine neue Anstellung findet. Da sind wir uns sicher!

Es wurde jedenfalls ein kurzweiliger Nachmittag der Begegnungen, bei dem auch Christina Pürgy vom ABZ und Katrin Gerschpacher und Astrid Stockinger von fairMATCHING zeigten, wie einfach und schnell und unkompliziert Zusammenarbeit möglich und umsetzbar ist, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet.

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